Arbeitszimmer sind ab sofort leichter abzusetzen

Nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG dürfen Aufwendungen für ein Arbeitszimmer nur steuerlich berücksichtigt werden, wenn das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.

Diese Regelung erklärte das Bundesverfassungsgericht nun für verfassungswidrig.

Das Bundesverfassungsgericht entschied mit Beschluss vom 6.07.2010 (BvL 13/09), dass § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG gegen die Verfassung verstößt.


Nach der bisherige Regelung gilt folgende Einschränkung für die Absetzbarkeit des Arbeitszimmers: Aufwendungen dürfen für ein Arbeitszimmer nur steuerlich berücksichtigt werden, wenn das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.


Hiernach kann z.B. ein Lehrer regelmäßig seine Aufwendungen für sein Arbeitszimmer nicht in Abzug bringen, da der Mittelpunkt seiner Tätigkeit sich nicht in seinem Arbeitszimmer, sondern in der Schule befindet. Denn berufsprägendes Merkmal eines Lehres ist das Unterrichten - und diese Leistung wird in der Schule o.ä. erbracht (BFH-Urteil vom 26.02.2010, VI R 125/01, BStBl. 2004 II S. 72). Dies gilt selbst dann, wenn die Zeiten der Vor- und Nachbereitung des Unterrichtes den Großteil seiner Tätigkeit ausmachen.


Erstmals wurde die Absetzbarkeit für das Arbeitszimmer durch das Jahressteuergesetz 1999 eingeschränkt. Berücksichtigt werden konnte das Arbeitszimmer nur noch, wenn die betriebliche oder berufliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50 Prozent der gesamten betriebliche oder beruflichen Tätigkeit ausmachte oder wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand. Eine Ausnahme galt nur insoweit das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit bildete.


Durch das Steueränderungsgesetz 2007 wurden durch die große Koalition aus fiskalischen Gründen die anfangs genannten Einschränkungen, die das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärte, verschärft.


Dagegen wandte sich im Ausgangsverfahren ein Hauptschullehrer, der Kosten für sein häusliches Arbeitszimmer geltend machte. Er führte zur Begründung an, dass er an seiner Arbeitsstätte, der Schule, keinen Arbeitsplatz für die Vorbereitung des Unterrichts zur Verfügung gestellt bekomme.


Das Bundesverfassungsgericht entschied nach Vorlage des Finanzgerichts Münster anschließend zu seinen Gunsten.


Zur Begründung führt Verfassungsgericht folgende Gesichtspunkte an:


Einerseits genüge die Vorschrift des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG nicht dem allgemeinen Gleichheitssatz. Dieser verlange vom Einkommenssteuergesetzgeber eine an der finanziellen Leistungsfähigkeit ausgerichtete hinreichend folgerichtige Ausgestaltung seiner Belastungsentscheidungen. Die im Einkommenssteuerecht maßgebliche finanzielle Leistungsfähigkeit bestimme sich nach dem Nettoprinzip. Dementsprechend seien betriebliche oder beruflich veranlasste Aufwendungen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten von der Steuer absetzbar. Benachteiligende Ausnahmen, wie die streitige Regelung, bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes, damit sie den Anforderungen des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes genügen.


Ein solcher Grund sei in Fällen wie diesem jedoch nicht vorhanden. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG sei lediglich aus fiskalischen Gründen eingeführt worden. Dies reiche jedoch nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts nicht aus, da dem Ziel der Einnahmenvermehrung auch eine willkürliche steuerliche Mehrbelastung diene.


Des Weiteren verstoße die Vorschrift gegen das Gebot der realitätsgerechten Typisierung, soweit Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer nicht berücksichtigt werden.


Zur Erläuterung: Typisierungsvorschriften dienen der Vereinfachung eines Gesetzes für die leichtere Handhabbarkeit. Sie richten ihren Regelungsgehalt vergröbernd an typischen Normalfällen aus und lassen individuelle Besonderheiten unberücksichtigt. Eine solche Typisierung enthält § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG, indem es an den „Mittelpunkt“ der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung anknüpft.


Die gesetzliche Verallgemeinerung muss auf einer möglichst weiten, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließende Beobachtung aufbauen. Der „typische“ Fall ist daher im Tatsächlichen realitätsgerecht zu erfassen. Grenzen der Typisierung bzw. Pauschalierung ergeben sich aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip. Die Typisierung muss zur Vereinfachung geeignet, erforderlich und angemessen sein.


Nach der Meinung des Bundesverfassungsgerichtes entspreche die angegriffene Regelung nicht den Zielen des Gesetzes, nämlich der Vereinfachung, der Streitvermeidung und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Denn die Formulierung „Mittelpunkt“ der gesamten betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit sei aufwendig und streitanfällig.


Dagegen sei der Fall, dass ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber einen Arbeitsplatz zur Verfügung bereit bestellt bekomme oder auch nicht durch eine Bescheinigung des Arbeitgebers einfach, schnell und eindeutig zu überprüfen und zu klären.


In der Folge ist damit § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG verfassungswidrig. Die Vorschrift darf von Finanzbehörden und Gerichten nicht mehr angewendet werden.


Vor allem Lehrer, denen grundsätzlich kein Arbeitsplatz zur Vor- und Nachbereitung in der Schule zur Verfügung steht, können nun von der Entscheidung des Gerichts profitieren.

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