Sozialversicherungsrecht und Statusfeststellung

Das Sozialversicherungsrecht ist ein komplexes Themenfeld mit zahlreichen Problemen für Arbeitgeber, Beschäftigte oder Selbständige - die richtige Einschätzung ist schwer. Wurde in der Vergangenheit eine falsche Entscheidung getroffen, können die Konsequenzen Jahre später zu erheblichen Beitragsnachzahlungen führen, bis hin zum völligen Verlust von Versicherungsansprüchen, wie der Rente. Oder auch zu Beitragserstattungen und zur Befreiung von gesetzlichen Versicherungspflichten, so dass eine private Vorsorge die weitaus bessere und lukrativere Lösung sein kann!

I. Sozialversicherungsrechtliche Status-Probleme


1. Einführung


Das System der deutschen Sozialversicherung ist äußerst komplex ausgestaltet und konnte trotz zahlreicher Reformversuche des Gesetzgebers nicht vereinfacht werden. Die Vielfalt des Systems wird bereits durch die Anzahl von zwölf Sozialgesetzbüchern verdeutlicht, hinzu kommen noch zahlreiche Nebengesetze und Verordnungen. Auch mit dem Arbeitsrecht gibt es viele Überschneidungen, da in vielen Bereichen durch eine Beschäftigung gleichzeitig auch eine (Zwangs-) Mitgliedschaft in einem der Sozialversicherungszweige entsteht. Die gesetzliche Versicherungspflicht wird ohne weiteres begründet, sobald und solange die gesetzlichen oder satzungsmäßigen Voraussetzungen hierfür vorliegen. Daher sind alle privatrechtlichen Vereinbarungen, die die Beschäftigung oder eine versicherungsfreie selbständige Tätigkeit betreffen rechtlich unbeachtlich. Es besteht eine umfassende Versicherungspflicht in allen Versicherungszweigen. Es kann aber auch in allen Versicherungszweigen Ausnahmen geben, die gesetzlich geregelt werden müssen. Bekanntestes Beispiel dürfte die Möglichkeit sein, eine private Krankenversicherung zu wählen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen. Da der Gesetzgeber aber einen weiten Spielraum bei der Reichweite der Zwangsversicherung hat, gibt es kein grundsätzliches Recht darauf, dem solidarischen Zwangsversicherungssystem zu „entkommen“. Die Voraussetzungen für die Befreiung von Zwangsmitgliedschaften können (mit Gewährung von Übergangszeiten) verschärft werden. Es zeigen sich aber auch gegenläufige Tendenzen, da zum Beispiel in der Pflegeversicherung versucht wird, die private Pflegeversicherung stark in die gesetzliche Regelung mit einzubeziehen. Hierbei werden die privaten Versicherer einer gesetzlichen Bindung an Mindeststandards unterworfen, die Zugangsbeschränkungen sollen aber aufgeweicht werden. Ziel ist eine Art „Volksversicherung“, die aus Elementen der gesetzlichen Sozialversicherung und der privaten Pflegeversicherung besteht. Auch im Bereich der Krankenversicherung deutet sich ein solcher Systemumbruch an, da bereits heute auf eine private Zusatzversorgung abgezielt wird. Auch die Rentenversicherung dürfte in Zukunft verstärkt auf eine verpflichtende private Zusatzversicherung abstellen.


2. Der Begriff der Beschäftigung


Zwischen Arbeits – und Sozialrecht bestehen vielfältige Verknüpfungen. Herauszuheben ist hierbei zu allererst der rechtliche Status als Arbeitnehmer, der sowohl Voraussetzung für die Anwendbarkeit der meisten Normen des Arbeitsrechts ist, als auch grundsätzlich die Versicherungspflicht in der Sozial- und Arbeitslosenversicherung begründet. Abgestellt wird hierbei auf den Begriff der Beschäftigung. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis, wobei Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisung und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers sind. Diese Definition erscheint auf den ersten Blick einfach, verbirgt aber bei genauerer Betrachtung eine ganze Reihe sozialrechtlicher Einzelprobleme, die im Zusammenhang mit der Bearbeitung arbeitsrechtlicher Mandate und seitens eines Arbeit-/Auftraggebers dringend beachtet werden müssen. Bereits bei der Vertragsverhandlung müssen sich die Vertragsparteien darüber im Klaren sein, auf welcher Grundlage die Geschäftsbeziehung beruhen soll. Es kommt zum einen ein Arbeitsvertrag in Betracht, zum anderen kann die Geschäftsbeziehung auf einer anderen rechtlichen Grundlage beruhen (Gesellschaftsrecht, familienrechtliche Abrede, vertragliche Abrede zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit, so z.B. „freier Mitarbeiter“, „Subunternehmer“, „Franchise-Partner“). An die vertragliche Ausgestaltung sind bereits einige Verpflichtungen geknüpft, so ist z.B. der „Arbeitgeber“ verpflichtet, der Einzugsstelle (Krankenkasse) eine Meldung zu machen. Zudem ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Lohnnebenkosten abzuführen. Der „Arbeitnehmer“ ist natürlich an einer sozialen Absicherung interessiert, zudem ist er Beitragsschuldner im Wege des Entgeltabzugsverfahrens. Er benötigt die rechtliche Klarheit über seine soziale Absicherung. Andererseits will auch ein „Selbständiger“ nicht im nachhinein mit Beitragsnachzahlungen belastet werden, für die er keine Rücklagen gebildet hat, da er sich bereits privat absichert. Es ist daher wichtig, dass bereits im Vorfeld Klarheit über den Status des Arbeitnehmers/Selbständigen herrscht, damit spätere - auch gerichtliche – Auseinandersetzungen vermieden werden können. Obwohl vertraglich gewisse Regelungen getroffen wurden, ist die Ausgestaltung des Vertrages rechtlich unerheblich. Ob ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt und damit auch Versicherungspflicht in der Sozial- und Arbeitslosenversicherung besteht, richtet sich allein nach den tatsächlichen Ausgestaltungen und Gegebenheiten. Daraus folgt, dass eine Versicherungspflicht auch dann besteht, wenn ein Arbeitnehmer übliche Arbeitstätigkeit erbringt, der arbeitsrechtliche Vertrag aber rechtliche Mängel aufweist, die ihn nichtig werden lassen (faktisches Arbeitsverhältnis). Umgekehrt besteht aber auch Versicherungspflicht für die gesamte Zeit der vertraglichen Beziehung, wenn ein wirksamer Arbeitsvertrag besteht, der Arbeitgeber den Arbeitnehmer von der Arbeitsleistung freistellt und dieser damit keine Arbeitsleistung erbringt. Der Begriff der Beschäftigung knüpft an den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Unterschied zwischen dem selbständigen Unternehmer und dem unselbständigen und tendenziell weniger wohlhabenden Arbeitnehmer. Der Gesetzgeber ist der Auffassung, dass der Arbeitnehmer vorsorglich für bestimmte Lebensrisiken geschützt werden muss, wenn nichtselbständige Arbeit gegen Entgelt ausgeführt wird. Es gibt Fälle, in denen der Arbeitnehmerstatus eindeutig feststellbar ist, so dass sich die Beschäftigung unzweifelhaft bejahen lässt. Probleme bei der rechtlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bewertung ergeben sich in den Fällen, in denen die Tätigkeit Merkmale beider Bereiche aufweist. Die Überprüfung kann zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, da weder das Gesetz, noch die Rechtsprechung in der Lage sind, genaue Abgrenzungskriterien zur Verfügung zu stellen. Daher verwendet man am Besten verschiedene Check-Listen, die versuchen, gewisse Indizien für die Unterscheidung zu benennen. Auch die Rechtsprechung des BSG verwendet zahlreiche Unterscheidungsmerkmale, die nicht eindeutig und zuverlässig gewichtet werden, der Prüfungskatalog muss in seiner Gesamtheit angewendet werden. Einzelne Indizien müssen noch nicht für eine bestimmte Einordnung sprechen, es ist entscheidend, welche Merkmale überwiegen. Das Ergebnis des Gesamtbildes ist dann entscheidend für die Einordnung. Maßgebliches Merkmal der „Nichtselbständigkeit“ ist die „persönliche Abhängigkeit“, da letztlich alle Anhaltspunkte (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV) und alle weiteren von der Rechtsprechung herangezogenen Kriterien der Prüfung dienen, ob eine Abhängigkeit vorliegt, oder nicht. Es lässt sich zunächst eine Grobeinteilung vornehmen. Unproblematisch sind die Fälle, in denen die betroffenen Personen mit ihrer Arbeitstätigkeit in einen fremden Betrieb eingegliedert sind und dann außerdem noch eine fremdbestimmte Arbeit nach Weisungen und ohne wirtschaftliches Risiko ausführt. Diese Anzeichen sprechen für Nichtselbständigkeit, da die Eigenverantwortung fehlt.


3. Typische Problemfelder


GmbH-Geschäftsführer: eine selbständige Tätigkeit liegt immer dann vor, der GmbH-Geschäftsführer keinen Weisungen unterliegt oder er zwar Weisungen nicht verhindern kann, die tatsächliche Ausgestaltung seiner Tätigkeit ihn jedoch weisungsfrei erscheinen lässt. Für die Rechtsprechung ist zudem entscheidend, ob und wie eine Beteiligung am Gesellschaftskapital vereinbart wurde.


Tätigkeit im Verein/Gesellschaft/juristische Person: eine Vereinsmitgliedschaft schließt ein Beschäftigungsverhältnis mit dem Verein nicht aus, wenn Arbeiten gegen Entgelt ausgeführt werden, die über die Verpflichtungen eines Mitgliedes hinaus gehen (Leitung Pfadfindergruppe).


Tätigkeit von Familienangehörigen: liegt Beschäftigung oder bloß familiäre Mithilfe vor? Zunächst sind die allgemeinen Abgrenzungskriterien heranzuziehen, darüber hinaus ist aber das gezahlte Entgelt entscheidend und die tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung und Beteiligung Freie Mitarbeiter: die Bezeichnung sagt nichts über den versicherungsrechtlichen Status aus. Besteht nach Anwendung der Abgrenzungskriterien eine Beschäftigung, ist es auch unerheblich, ob sie in unterschiedlichen zeitlichen Abständen für verschieden lange Zeiträume zu bestimmten Tätigkeiten herangezogen werden (v.a. im Bereich der Rundfunk- und Fernsehmitarbeiter, Regisseure).


Computerheimarbeit: ist der Heimarbeiter mit dem Hauptcomputer des Betriebes nur während der normalen Betriebeszeiten verbunden und gibt es eine Überwachungs- und Kontrollmöglichkeit des Arbeitgebers, so liegt ein Beschäftigungsverhältnis vor.


Ehrenamtliche Tätigkeit: es fehlt am entscheidenden Kriterium der Arbeit, daher kann auch keine Beschäftigung vorliegen. Unkosten oder erhöhter Aufwand begründen noch keine Versicherungspflicht. Wird aber ein Arbeitsentgelt geleistet und ist die Tätigkeit dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich, so kann Beschäftigung vorliegen (BSG für Ortsvorsteher in BW).


Berufsausbildung: s. Gesetzestext. Tätigkeit im Rahmen der Berufsausbildung in wirksamen Rechtsverhältnis. Evtl. unterschiedlich in GKV und RV.


Künstler, Dozenten, Übungsleiter: s. Anhang Zu beachten ist, dass auch Selbständige teilweise der Sozialversicherungspflicht unterworfen sind: Künstler und Publizisten nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz, ferner Landwirte und mitarbeitende Familienangehörige. Es besteht zum Teil Rentenversicherungspflicht selbständig Tätiger (Lehrer, Dozenten, Erzieher, Künstler, Publizisten, arbeitnehmerähnliche Selbständige = kein versicherungspflichtiger AN beschäftigt und im Wesentlichen nur einen Auftraggeber) und es besteht die Möglichkeit, sich auf Antrag freiwillig zu versichern.


4. Scheinselbständigkeit und Ich-AG


§ 7 Abs. 4 SGB IV a.F. hatte das Ziel, die Flucht aus dem Normalarbeitsverhältnis zu verhindern. Durch die „Scheinselbständigkeit“ sollten die Lohnnebenkosten vermieden werden. Der Gesetzgeber hatte unter Anwendung bestimmter Kriterien eine widerlegbare Vermutung für das Bestehen einer sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigung getroffen (kein Arbeitnehmer beschäftigt = über die Grenze der geringfügigen Beschäftigung hinaus; nur ein Auftraggeber; kein unternehmerisches Handeln; Tätigkeit wird regelmäßig in anhängiger Beschäftigung ausgeübt; früher beim selben Arbeitgeber für die gleiche Tätigkeit abhängig beschäftigt). Heute hat § 7 Abs. 4 SGB IV n.F eine völlig neue Bedeutung erfahren, da die o.g. Kriterien keine Bedeutung erlangten und nicht tauglich waren. Wird für eine selbständige Tätigkeit ein Existenzgründungszuschuss gewährt (Ich-AG, nicht: Überbrückungsgeld), so ist die Person während der Dauer des Bezuges eines Existenzgründungszuschusses unwiderlegbar selbständig. Für die übrige Zeit wird eine selbständige Tätigkeit widerlegbar vermutet (so dass wieder nach den allgemeinen Regeln überprüft werden muss). Da es sich bei der Ich-AG um eine selbständige Tätigkeit handelt, sind für Existenzgründer keine Beiträge in der KV, PV, AV abzuführen. Allerdings sind sie pflichtversichert in der RV. Die Ich-AG wurde vom Gesetzgeber nur begrenzt verlängert, so dass die Regelung spätestens Mitte 2008 entfällt. Zu beachten ist, dass die Vermutungsregelung für das Arbeitsrecht keine rechtliche Wirkung hat.


5. Statusfehleinschätzung und Statusfeststellungsverfahren


Auf die Folgen einer fehlerhaften Statuseinschätzung (Beschäftigung oder Selbständigkeit) ist dringend hinzuweisen. Der Arbeitgeber haftet als Beitragsschuldner in der Regel für die gesamten Sozialversicherungsbeiträgen ( § 28 e Abs. 1 Satz 1 SGB IV), mit Ausnahme der letzten drei Monate und dies auch nur dann, soweit das Arbeitsverhältnis noch besteht (§ 28 g Abs. 1 Satz 3 SGB IV). Zusätzlich können Ansprüche des Arbeitnehmers entstehen (Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und an Feiertagen, Urlaub und Urlaubsabgeltung, Ansprüche aus Tarifverträgen). Daher muss sich ein Auftraggeber, der z.B. eine Dienstleistung durch einen Dritten ausüben lassen will, fragen, ob derjenige die Tätigkeit tatsächlich als selbständige Erwerbsperson ausüben wird oder durch die Beauftragung ein Arbeits-/Beschäftigungsverhältnis entsteht.


Früher wurde oft in Zweifelsfällen (Scheinselbständigkeit) keine Entscheidung der damals zuständigen Krankenversicherungsträger herbeigeführt. Kam es zu einer Fehleinschätzung, so wurde dies den Sozialversicherungsträgern oft erst im Rahmen einer Betriebsprüfung bekannt. Die jetzt zuständige Rentenversicherung prüft häufiger und intensiver. Die Prüfung erstreckt sich insbesondere auf die Richtigkeit der Beitragszahlungen und Meldungen und zwar mindestens alle vier Jahre ( § 28 p SGB IV). Folge einer Prüfung kann sein, dass nachträglich eine versicherungspflichtige Beschäftigung festgestellt wird. Die Sozialversicherungsbeiträge werden durch Bescheid zurückgefordert und zwar längstens für vier Jahre. Die Ansprüche auf Beiträge verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Jahres, in dem die Beiträge fällig geworden sind (§ 25 SGB IV). Vorsätzlich vorenthaltene Beiträge können 30 Jahre lang zurück gefordert werden. Die Beitragsschuld obliegt dem Arbeitgeber und zwar in voller Höhe des Gesamtsozialversicherungsbeitragssatzes (!) (§ 28 e SGB IV). Der AG hat zwar gegenüber dem Beschäftigten einen Anspruch auf den vom Beschäftigten zu tragenden Gesamtsozialversicherungsbeitrag. Ein unterbliebener Abzug kann aber nur bei den nächsten drei Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden, es sei denn, der Abzug geschah ohne Verschulden des AG (falsche Auskunft einer zuständigen Stelle). Für den AG besteht aber grundsätzlich die Gefahr, dass eine erhebliche Beitragsrückforderung die wirtschaftliche Existenz gefährden kann. Aus diesen Gründen sollte in Zweifelsfällen von der Möglichkeit des Antragsverfahren nach § 7 a SGB IV Gebrauch gemacht und bei der Deutschen Rentenversicherung Bund eine Entscheidung über das Vorliegen einer Beschäftigung herbeigeführt werden. Die Beteiligten (AN, AG, nicht jedoch andere Versicherungsträger) können schriftlich eine entsprechende Entscheidung beantragen. Die entscheidungserheblichen Tatsachen müssen ermittelt werden und werden gemäß den Grundsätzen gewertet, die die Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger beraten haben und die als Ergebnis im Rundschreiben vom 26.3.2003 zusammengefasst sind (www.deutsche-rentenversicherung-bund.de). Die Entscheidung ergeht nach Anhörung durch Verwaltungsakt und gilt (wohl) für alle Versicherungszweige.


6. Gerichtliche Zuständigkeit bei Streitigkeiten über den Status


Hat der Rentenversicherungsträger einen Bescheid über die Versicherungspflicht erlassen, so sind nach Erlass des Widerspruchbescheides die Sozialgerichte zuständig. Gegner ist der Rentenversicherungsträger. AN, AG und Versicherungsträger werden im gerichtlichen Verfahren beigeladen. Die Arbeitsgerichte sind zuständig bei Streitigkeiten zwischen AN und AG über den nachträglichen Abzug von Arbeitnehmeranteilen am Sozialversicherungsbeitrag. Vor den Arbeitsgerichten werden auch Schadensersatzansprüche des AN gegenüber dem AG geltend gemacht, wenn der AG die Beiträge zur Sozialversicherung nicht abgeführt hat. Eine Statusklage vor dem Arbeitsgericht entfaltet keine Bindungswirkung für den Rentenversicherungsträger.


7. Rückforderung zu Unrecht geleisteter Beiträge


Zu Unrecht errichtete Beiträge sind zurück zu erstatten. Wichtig ist, dass die Erstattungsansprüche grundsätzlich in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie errichtet worden sind, verjähren. Nur wenn der Fehler bei der Statusfeststellung beim Sozialversicherungsträger liegt, können weiter zurückliegende Beiträge erstattet werden. Auch hier entstehen erhebliche wirtschaftliche Nachteile, da die Beiträge weg sind und kein Anspruch auf Versicherungsleistung in der Zukunft mehr besteht. Grundsätzlich gilt, dass zu Unrecht entrichtete Beiträge nicht erstattet werden, wenn aufgrund dieser Beiträge Leistungen erbracht wurden, oder in der Zukunft zu erbringen sind (Verfallsklausel). Dies gilt auch für die AG-Anteile, obwohl er keine Leistungen erhält. Etwas anderes gilt nur dann, wenn dem Versicherungsträger die Rechtswidrigkeit bekannt war. Sind Leistungen aus der Versicherung erbracht worden, entfällt die gesamte Beitragsrückerstattung, da alle Beiträge die Leistung mitgetragen haben. Auch in der Krankenversicherung werden die Beiträge erstattet. Wurden allerdings in der der Zeit Leistungen erbracht, obwohl kein Versicherungsverhältnis bestand, so wird ein Versicherungsverhältnis fingiert und die Beitragsrückerstattung entfällt vollständig, da Versicherungsleistungen über Zeiträume erbracht werden. In der Unfallversicherung kommt ein formalrechtliches Versicherungsverhältnis zustande, wenn der Unfallversicherungsträger einen Vertrauenstatbestand hinsichtlich der Annahme des Versicherungsschutzes begründet hat. In der Rentenversicherung können aufgrund der Beiträge prinzipiell Leistungen erbracht werden. Sind die Beiträge geeignet, Leistungen zu begründen (Wartezeiten, Beitragszeiten für die einzelnen Ansprüche aus der Rentenversicherung), so gilt aber auch die Verfallsklausel, da Leistungen in der Zukunft erbracht werden. Beiträge zur Arbeitslosenversicherung werden erstattet, es besteht kein Anspruch auf Versicherungsleistungen, selbst wenn die Einzugsstelle (die nach § 28 h SGB IV über die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe in der KV, PV und RV entscheidet) eine falsche Entscheidung getroffen hat. Nur wenn die Rentenversicherung eine falsche Entscheidung getroffen hat, kommt eine Erstattung in Betracht (§ 336 SGB III). Gläubiger der Erstattungsansprüche ist derjenige, der die Beiträge rechtlich tatsächlich getragen hat. Hinsichtlich des Gesamtsozialversicherungsbeitrages ist dies der AG, wenn er vom Lohnabzug abgesehen hat, ansonsten entsteht der Anspruch in der Regel für den AN und den AG hinsichtlich des jeweiligen Anteils.


8. Umfang der Beschäftigung


Liegt eine Beschäftigung nach diesen Grundsätzen vor, so kommt es bis auf die Unfall – und Insolvenzgeldversicherung zusätzlich noch darauf an, ob die Beschäftigung mehr als geringfügig ist (§ 27 Abs. 2 Satz 1 SGB III, § 7 SGB V, § 5 Abs. 2 SGB VI, § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 SGB XI). Die Grundsätze sind in § 8 SGB IV geregelt. Es gibt die Entgeltgeringfügigkeit (Arbeitsentgelt nicht mehr als 400 €) und die Zeitgeringfügigkeit (nach Eigenart auf 2 Monate oder 50 Tage im Jahr vertraglich begrenzt, es sein denn, die Tätigkeit wird berufsmäßig ausgeübt und die 400 € - Grenze wird überschritten). Näheres ist in der Geringfügigkeits-Richtlinie zu finden (Aichberger 4/21). Eine geringfügige Beschäftigung liegt auch dann vor, wenn sie ausschließlich in Privathaushalten verrichtet wird. Soll eine geringfügige Beschäftigung ausgeübt werden so darf das Arbeitsentgelt regelmäßig 400 € im Monat nicht übersteigen. Auf die Zahl der Arbeitsstunden kommt es dann nicht mehr an. Wird eine geringfügige Beschäftigung oder eine geringfügige selbständige Tätigkeit (auch hierfür gilt § 8 SGB IV) ausgeübt, dabei aber die 400 € - Grenze überschritten, so liegen die Voraussetzungen für die Geringfügigkeit dann vor,



  • wenn die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im voraus vertraglich begrenzt ist und

  • die Beschäftigung nicht berufsmäßig ausgeübt wird.


Mit der Zusammenrechnungsregel des § 8 Abs. 2 SGB IV ist es nun auch möglich, dass ein AN neben seiner Hauptbeschäftigung einer geringfügigen Tätigkeit nachgehen darf ohne dass diese versicherungspflichtig wird (allerdings darf diese Tätigkeit nicht für den selben AG ausgeübt werden). Erzielt der AN mehr als 400 € jedoch nicht mehr als 800 €, so befindet er sich in der so genannten „Gleitzone“ und ist in allen Teilen der Sozialversicherung beitragspflichtig, sein Anteil an der Beiträgen ist „gleitend“. Der AG hat keine Vergünstigung, er zahlt den üblichen Anteil zur Sozialversicherung.


9. Folgepflichten im Beitragsrecht


Kommt tatsächlich ein entgeltpflichtiges Beschäftigungsverhältnis zustande (in der Unfallversicherung genügt auch ein unentgeltliches), so muss der AG eine Meldung bei der zuständigen Einzugsstelle (Krankenkasse) machen, Lohnunterlagen führen und die Gesamtsozialversicherungsbeiträge (AG - und AN - Anteile) an diese abführen. Verletzt der AG diese Pflichten durch bewusst unwahre oder unvollständige Angaben und zahlt dadurch weniger Beiträge, so kommt eine Strafbarkeit wegen Betruges (§ 263 StGB) in Betracht. Bei der Bemessung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages ist der reguläre Entgeltanspruch in voller Höhe heranzuziehen. Dieser wird nicht dadurch gemindert, dass ein Teil des Anspruchs wegen Ablauf einer tariflichen Ausschlussfrist verfallen ist, oder durch eine Vertragsstrafe gemindert wurde. Der AN unterliegt dem Entgeltabzugsverfahren und muss den Abzug seiner Beitragsteile von seinem Entgelt dulden. Der AG darf diesen Anteil aber nur für drei Monate rückwirkend geltend gemacht werden, es sei denn, der Abzug erfolgte ohne Verschulden des Arbeitgebers nicht. Der AG kann nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die bereits für den AN abgeführten Anteile von diesem zurück verlangen, wenn der AN seinen Auskunftspflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Der AG hat einen Anspruch auf Erstattung der Arbeitnehmeranteile, die er abgeführt hat und kann diesen beim Arbeitsgericht einklagen.


10. Weitere Rechtsfolgen im Beitragsrecht


Bei Nichtabführung der AN-Anteile kann sich der AG strafbar machen (§ 266a StGB Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt). Dieses Delikt ist nur verwirklicht, wenn die Zahlung durch den AG möglich war. Unter bestimmten Umständen verhindern die Zahlungsunfähigkeit und ein Insolvenzantrag die Verwirklichung des Straftatbestandes. Gemäß § 823 Abs. 2 BGB haftet der Geschäftsführer einer GmbH persönlich für die Abführung.


11. Auswirkungen einer Statusfehleinschätzung


Dem AN bietet eine Korrektur der Einschätzung Vorteile für die Vergangenheit, dem AG Nachteile. Der Sozialversicherungsschutz kann rückwirkend erreicht werden, wobei die Beitragslast den AG alleine trifft. Es besteht die Gefahr für den AG, dass der AN rückwirkend eine Statusklärung herbeiführt, um sich im Bedarfsfall rückwirkend die Vorteile der sozialen Absicherung zu verschaffen. Für den Arbeitnehmer können sich auch arbeitsrechtliche Ansprüche und Vorteile ergeben. Für die Zukunft können sich aber auch arbeitsrechtliche Nachteile für den Arbeitnehmer ergeben, wenn z.B. eine Verringerung der bisherigen Vergütung eintritt, weil das übliche Honorar eines Selbständigen erheblich höher ist, als das übliche oder das tarifliche Entgelt. Wird die Statuskorrektur vollzogen, so sind die Beitragsgrenzen in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu berücksichtigen, unter Umständen entsteht eine Befreiung von der Versicherungspflicht.


12. Fazit


Festzuhalten ist, dass der Arbeitgeber dringend darauf achten muss, eine wirksame Einschätzung bei Begründung der Tätigkeit zu treffen, um später nicht mit erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen konfrontiert zu werden. Um Rechtssicherheit zu erlangen, sollte in Zweifelsfällen die Statusfrage vom Rentenversicherungsträger geklärt werden.

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